Logo Burnout Fallbeispiele

Ein Mann in den 40-ern, der als Quereinsteiger in der IT-Branche verheizt wurde, der den Ausstieg gewagt hat und der schließlich in die Selbständigkeit als Handwerker ging.

Zur Person:
Verheiratet, 2 Kinder im Alter von 14 und 16 Jahren, Geboren 1965 in München, seit 1992 lebend in Straubenhardt.

Wie alles Begann:
Bis 2002 war ich als Fertigungsleiter eines kleinen Montagebetriebes tätig. Die Aufgaben umfassten das Organisieren der Arbeitsplätze, die Reorganisation von Arbeitsabläufen, sowie die konstruktive Unterstützung von Entwicklungsaufgaben.
Im Jahre 2003 wurde mir die Stelle des Qualitätsleiters für den Bereich Kabelkonfektion in einem mittelständischen Unternehmen angeboten. Hierfür musste ich kurzfristig die erforderlichen Prüfungen ablegen. Meine Aufgaben waren die Einführung und Einhaltung von Qualitätsmaßnahmen in Deutschland und Tunesien. Ferner wurde innerhalb eines Jahres die ISO TS 16949 (derzeit höchster Qualitätsstandard der Automobilindustrie) innerhalb des Standortes Deutschland eingeführt. Für diese Aufgaben wurde an Wochenenden und an Feiertagen gearbeitet. Das alles, wie Heute üblich mit einem „All inklusive Vertrag“. Das Resultat - Arbeite viel und bekomme wenig. Die menschliche Führung war unter aller S.. Das Unternehmen wurde nur nach Zahlen geleitet. Menschliche Bedürfnisse, als auch der jeweilige Auslastungsgrad spielte für den Herrn Doktor (Geschäftsleitung) keine Rolle. Das Arbeitumfeld wurde so untragbar das dass komplette Management (Vertriebsleitung, Fertigungsleitung und ich als Qualitätsleiter) das Unternehmen verließ.

Meine darauf folgende Arbeitsstelle wurde durch den Verkauf an einen Konzern gestrichen.
Ich war 6 Jahre im Bereich Kabelkonfektion im Vertriebsinnendienst mit Verantwortung der Prozesskostenkalkulation tätig. Mein Wissen um die Reorganisation von Arbeitsplätzen unter Berücksichtigung der Einhaltung gängiger Qualitätsstandards erleichterte meine Aufgabe immens. Durch die Übernahme und die darauf folgende Neuausrichtung des Unternehmens verlor ich meinen Arbeitsplatz.

Durch die anhaltende Wirtschaftskrise, und dem damit verbundenen Stellenabbau richtete ich meine berufliche Laufbahn neu aus. Ich ließ mich über die Agentur für Arbeit im Bereich SAP (Warenwirtschaftssystem für Großunternehmen) schulen. Um diese Schulung zu bekommen musste ich eine Stelle innerhalb des SAP Umfelds nachweisen. Somit suchte ich eine Stelle in der ich trotz neuer Anforderungen meine bereits erlernten Fähigkeiten einsetzen konnte. Dies gelang mir bei einem Anbieter für SAP Produkte innerhalb seines Geschäftsfeldes CRM-Lösungen (CRM = Customer Relationship Management). Nach kurzer Einarbeitungsphase wurde mir die Verantwortung der Präsentationsoberfläche für Kundenbesuche übertragen. Diese Aufgabe umfasste vom Releasewechsel bis hin zur Darstellung der jeweiligen Kundenprozesse für Präsentationen ein sehr großes Spektrum. Das waren im Besonderen die Vereinbarung und Überwachung von Terminen und Aufgaben mit den Entwicklern. Ebenso war es meine Aufgabe mit dem Vertriebsaußendienst die Vorbereitung des Systems zu Besprechen und bis zum Präsentationstermin den Anforderungen entsprechend umzusetzen. Nachdem ich als Quereinsteiger nicht die erforderlichen Basiskenntnisse besaß, konnte ich diese Aufgaben nur mit einem enormen Pensum an Mehrarbeit erfüllen. Tagsüber musste ich die Aufgaben erledigen, abends und an den Wochenenden musste ich mir die Kenntnisse, die ich dafür benötigte aneignen. Nachdem ich aus meinen früheren Tätigkeiten gewohnt war, alle mir aufgetragenen Aufgaben innerhalb der geforderten Zeit zu erledigen, wollte ich das logischerweise auch in dieser Stellung. Eine klare Aussage zu treffen, dass ich es nicht konnte fiel mir sehr schwer. Das Eingestehen, dass man (ich) es nicht schafft, seinen Job zu erledigen, war nicht Vorstellbar. Das Ergebnis war eine ständige Überbelastung, Schlafmangel und extreme Konzentrationsschwäche.
Meetings liefen wie in einer Nebelbank für mich ab. Ich sah nur noch Gesichter, die sich zwar bewegten, jedoch kam kein Ton mehr bei mir an. Dennoch wollte ich unbedingt, die für mich unlösbaren Aufgaben erfüllen. Ab diesem Zeitpunkt begleiteten mich die Tabletten. Abends eine zum schlafen, morgens eine zum Aufwachen und zum Gasgeben Tagsüber. Heute weiß ich dass alle Medis dieser Welt nur das Pflaster auf der Wunde sind, jedoch die Wunde selbst eitert weiter vor sich hin.
Es musste eine andere Lösung für mein Problem gefunden werden. Also ab ins Internet, und mal surfen was es das so alles gibt. Immer wieder tauchte der Begriff „Burn Out“ auf. Die beschriebenen Symptome konnte ich bei mir feststellen. Die Schilderungen von Betroffenen machten klar, dass ich es ohne Hilfe aus dieser Spirale nicht raus komme. Der Weg ging also zum Arzt um entsprechende Hilfe anzufordern. Da sich kein freier Therapieplatz finden lies, meldete ich mich bei einem freiwilligen Burn Out Kurs an.

Der Kurs hatte bereits 2-mal stattgefunden, somit wurde ich als „Nachzügler“ in die Gruppe aufgenommen. Harter Toback, jetzt sitzt du in einer Gruppe mit dir fremden Menschen und musst dir und allen Anderen eingestehen das du deinen Job nicht schaffst. Doch dann stellt sich ein Gefühl der Erleichterung ein, denn zum ersten Mal gestehe ich es mir selber auch ein.
Gerade die Gespräche mit den anderen „Burn-Outlern“ waren eine große Hilfe, denn ich war nicht mehr ALLEINE mit meinem Problem. Jetzt war Offenheit angesagt, denn nur dadurch konnte mir geholfen weden. Gerade die Übungen um sich selbst zu sehen waren sehr aufschlussreich. Wo stehe ich, und wo will ich in Zukunft stehen. Das war für mich die wichtigste Frage, die es zu klären galt.
Endlich war das Problem identifiziert. Da es für jedes Problem auch eine Lösung gibt, galt es jetzt die richtige Lösung für mich zu finden. Gerade die intensiven Gespräche mit der Gruppe, als auch die begleitenden Übungen, stärkten mich in meinem Vorhaben in die Selbstständigkeit zu gehen.
Diesen Schritt, mit der Gruppe zu besprechen war nicht nur sehr hilfreich, sondern ließ mich im Vorfeld auch schon die Schwierigkeiten und Hürden erkennen, die es zu bewältigen galt.

In den Gesprächen mit der Gruppe wurden meine Stärken, als auch meine Schwächen klar herausgestellt. Auch das war ein wichtiger Schritt für meine Zukunft, denn so klar wurde es mir noch nie vor Augen geführt, was mich wirklich glücklich und zufrieden macht.
Jetzt waren zwei Pfeiler meiner Zukunft gefunden. Zum einen klar die Selbstständigkeit, zum anderen mein handwerkliches Geschick und die damit verbundene Kreativität Probleme zu lösen. Das Resultat aus diesen Voraussetzungen war eine Gewerbeanmelddung zum Haus- und Heimwerkerservice!
Somit stand meine Zukunft auf 3 starken Säulen. Heute nach 4 Monaten Selbstständigkeit stehe ich fester denn je zu dieser Entscheidung. Ich führe sämtliche Arbeiten rund um und im Haus gewerblich oder privat aus. Nach, oder noch während den Arbeiten bekomme ich positive Resonanz von meinen Kunden. Ich werde auch für weitere Aufgaben gebucht, was klar die Zufriedenheit meiner Kunden ausspricht. Sicherlich arbeite ich heute mehr als in meinen vorherigen Jobs, die mich ins Burn Out getrieben haben. An Wochentagen auf der Baustelle an den Wochenenden Steuer, Angebote und sonstige Büroarbeiten. Dennoch bin ich heute mein eigener Herr, was den Vorteil hat, nur noch Dinge zu tun, die meinen Qualitätsansprüchen entsprechen. Und das Wichtigste, Dinge die nicht möglich sind, aus Kosten, oder handwerklicher Sicht, einfach abzulehnen. Ich strebe die korrekte Ausführung der Aufgaben und nicht die benötigte Arbeitszeit an. Somit habe ich das Problem "immer mehr leisten zu müssen in immer weniger Zeit" fast gänzlich aus meinem Leben verbannt.

Als Schlusswort kann ich nur mit folgenden Worten abschließen:
"Ja, es war, und ist die richtige Entscheidung"

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