Logo Burnout Fallbeispiele

Ich bin niedergelassene Ärztin seit 15 Jahren. Die Arbeit mit meinen Patienten hat mir immer sehr viel Freude gemacht. Ich hatte Medizin studiert, weil ich helfen wollte. Im Krankenhaus war es mir zu hektisch. Dort hatte man viel zu wenig Zeit für die Patienten.

In meiner Praxis (Allgemeinmedizin) war ich meine eigene Chefin und konnte mir – wenn ich wollte – viel Zeit lassen. Ich habe somit natürlich auch meinen Verdienst geregelt, aber der war gut genug.

Seit einigen Jahren – im Zuge der letzten Gesundheitsreform – habe ich mich – wie die meisten Kollegen und Kolleginnen – über unsere neuen Rechte und Pflichten informiert. Meine Selbständigkeit schwand von Monat zu Monat. Die Krankenkassen begannen, immer mehr von den ärztlichen Entscheidungen in Frage zu stellen. Ein schnöder Sachbearbeiter bei der Krankenkasse hatte die Frechheit und die Macht, Dinge, dich angeordnet hatte, abzulehnen. Die Krankenkassen haben meine Krankschreibungen in Frage gestellt, haben meine Patienten mit Anrufen und Briefen bombardiert und diese zu Gesprächen über ihre Gesundheit gezwungen. Ich dachte nur noch: „sollen doch die Sachbearbeiter die Kranken behandeln…!“ Doch, wenn etwas schief geht, dann waren wir es…

Lästig wurde dann auch, dass unsere Behandlung standardisiert wurde. Disease-Management-Programm (DMP) wurden eingeführt. „Das sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Patienten. DMP sollen durch gezieltes Versorgungsmanagement in Form standardisierter Behandlungs- und Betreuungsprozesse dazu beitragen die Behandlung chronischer Erkrankungen über deren gesamten Verlauf zu verbessern.“  (Zitat KV) Mit Hilfe sog. DMP´s (Disease Management Programs) sollten die Patienten mit Diabetes Mellitus, Koronare Herzerkrankungen, Asthma usw. nach vorgegebenen Standards behandelt werden. Die Krankenkassen übten auf die Patienten Druck aus und/oder lockten diese mit Beitragserlässen, wenn sie an einem DMP teilnehmen würden. Die Krankenkassen erhielten als Risikostrukturausglich pro Patient eine große Summe und gaben den Ärzten einen Bruchteil dessen ab. Ich wollte mich gegen die Teilnahme an den DMP´s weigern. Doch verlor ich immer mehr Patienten, weil diese von den Kassen – teils schriftlich – die Aufforderung bekamen, den Arzt zu wechseln, falls ihr Arzt nicht an den DMP´s teilnehmen würde. Es wär also ein hohes finanzielles Risiko, nicht an den DMP´s mitzumachen.

Die Bonus-Malus-Regelung besagt, dass wir aus eigener Tasche draufzahlen müssen (Malus), wenn wir zu viele Medikamente verschreiben und einen Bonus bekommen, wenn wir hübsch wenig verschreiben. Jetzt hagelt es Regressforderungen an uns Ärzte…

Meine persönliche Freiheit, mein Arbeitsstil wurden beschnitten. Ich bekam Vorschriften, wie ich meine Patienten zu behandeln hatte – obwohl ich so viele Jahre Berufserfahrung habe und obwohl jeder Patient sehr unterschiedlich ist und jeweils individuell Bedingungen (verschiedene andere Krankheiten, Medikamenteneinnahme etc.) mit sich bringt.

Die Arbeit machte mir immer weniger Freude. Ich habe meine Patienten nicht mehr als Kunden betrachtet, sondern als Kostenfaktoren. Wir bekommen – je nach Facharztgruppe bzw. Allgemeinmediziner – eine Summe x pro Quartal pro Patient. Sollte der Patient mehr als 1-3x pro Quartal kommen und eine Untersuchung benötigen, zahlen wir drauf. Viele Fachärzte sind noch schlechter dran als wir Allgemeinmediziner und wissen, dass sie nach 2 Monaten eigentlich nichts mehr verdienen. Man muss pro Quartal möglichst viele verschiedene Patienten sehen und möglichst wenige davon mehrfach. Doch der Deutsche geht im Schnitt ca. 18 mal im Jahr zum Arzt. Da sind wird Weltmeister.

Ich stehe derzeit kurz vor dem Burnout: Kopfschmerzen, Schwindel, Ängste. Gefühl der Überforderung und der hilflosen Wut. Ich habe eine unglaubliche Aversion gegenüber meinen Patienten. Ich kann mir das Gejammer nicht mehr anhören. Abends trinke ich mittlerweile 1 Flasche Rotwein, um zur Ruhe zu kommen… Ich weiß, dass es so nicht weiter gehen kann. Es erschrickt mich selbst! Aber es hilft nichts. Ich muss ja Geld verdienen…

Meine Therapeutin arbeitet mit mir daran, dass ich im Sommer meine Praxis für 8 Wochen schließe um dann in eine Spezialklinik zu gehen. Das wäre vielleicht ein Anfang.

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